Bruder gegen Bruder
Bünde (BZ). Die Mutter aller Derbys ist wieder da. Zum ersten Mal seit zwei Jahren stehen sich am Samstag die HSG Spradow und die SG Bünde-Dünne gegenüber. Für die Brüder Tim und Jan-Frederik Koebke ist das Spiel in der Handball-Landesliga (Samstag, 17 Uhr) ein ganz besonderes.
Die Gesprächsthemen am Frühstückstisch der Koebkes werden monotoner. Die ganze Familie richtet den Blick auf das Derby. Mit gemischten Gefühlen. Mutter Birgit Schwidde-Koebke und Vater Ulrich sind unentschlossen. Der eine Sohn, Jan-Frederik (21), steht am Samstag vor 500 Zuschauern für die HSG Spradow auf dem Parkett. Der andere, Tim (19), läuft für die SG Bünde-Dünne auf. Bruderduell in der Landesliga. Welchem der beiden Sprösslinge drückt man bloß die Daumen? »Ist doch klar«, sagt Tim. »Die hoffen auf ein Unentschieden. Etwas anderes haben sie zumindest offen noch nicht zugegeben.« Nur die jüngere Schwester Franca kann den Trubel um dieses eine Handballspiel nicht verstehen. »Sie hat früher zwar einmal Handball gespielt. Aber ich glaube, ihr ist es egal, wer gewinnt«, sagt Jan-Frederik. Er dagegen will es seinem kleinen Bruder zeigen. Schließlich behauptet Tim frech, er könne besser Handballspielen als Jan-Frederik.
Duelle der Koebkes reduzierten sich bislang auf Spieleabende oder das Siebenmeter-Werfen auf kleine Tore im eigenen Garten. In der Halle standen sich Tim und Jan-Frederik noch nicht gegenüber. »Die Möglichkeit hat es in der vorherigen Saison gegeben«, sagt Jan-Frederik. Doch die Koebke-Brüder gingen dem Duell aus dem Weg. »Rein zufällig«, wie beide betonen. In der Spielzeit 2009/2010 spielten sie mit den Reserven beider Vereine in der Kreisliga A. Und bei beiden Terminen des kleinen Derbys kam etwas dazwischen. Jan-Frederik: »Einmal hatte unser Onkel Geburtstag.« Und beim Rückspiel waren beide im Urlaub. Zusammen. Sie verstehen sich, die Brüder. Doch Samstag muss die Freundschaft für 60 Minuten ruhen.
Das Derby ist für beide mehr als nur ein Bruderduell. In der Landesliga geht es ums Überleben. Beide Teams haben nur einen mäßigen Start hingelegt, stehen fast schon mit dem Rücken zur Wand. »Wir müssen unbedingt gewinnen, um den Anschluss ans Mittelfeld nicht zu verlieren«, sagt der Spradower Jan-Frederik Koebke. »Es gilt, an die guten Leistungen der vergangenen Wochen – sieht man vom 30:36 in Brake einmal ab – anzuknüpfen. Wenn wir nicht langsam wieder punkten, stecken wir die ganze Saison im Abstiegsschlamassel.« Dass die Mannschaft die Qualität hat, um da unten raus zu kommen, davon ist »Schwiddi« überzeugt. Zumal mit Eduard Morasch und Daniel Overlack zwei Hoffnungsträger nach langwierigen Verletzungen wieder mit dabei sind. Aber auch Koebke glaubt, einen Sprung gemacht zu haben und sieht sich als Baustein im HSG-Gefüge. Nach 15 Monaten Auslandsaufenthalt in Uganda kehrte Koebke im September 2009 zurück, fasste zunächst in der Reserve Fuß. Zuvor spielte er für Spradow in der A-Jugend-Oberliga. Als Ex-Dünner! Denn dort begann er das Handballspielen, animierte seinen Bruder auch damit anzufangen. Und auch der ist erfolgreich.
In seinem ersten Landesliga-Jahr ist Tim Koebke gleich an einem Experiment beteiligt. Er nimmt an »Jugend forscht« teil. Nach der radikalen Verjüngungskur zu Beginn der Saison bei der SGBD ist Koebke zusammen mit Simon Beckmann, Nils Wilmsmann und Johann Steinmeier einer von vier A-Jugendlichen, die in die erste Mannschaft hochgezogen wurden. Der SGBD-Kurs birgt Risiken, »aber auf uns junge Leute aus dem Verein ist er perfekt zugeschnitten«, sagt Tim. In der vergangenen Saison spielte der 19-Jährige mit einem Doppelspielrecht in der A-Jugend und in der zweiten Mannschaft.
Nun traut man Koebke bei Bünde-Dünne den Sprung ins kalte Landesliga-Wasser zu. Bislang ist er mit seiner persönlichen Entwicklung zufrieden: »Die Einsatzzeiten passen. Nur würde ich lieber öfter auf Linksaußen spielen.« Dort hat Routinier Philipp Witt jedoch den Vorzug, Tim muss auf die rechte Seite ausweichen. Vor dem Duell um die Lieblingsposition, steht das Duell mit dem Lieblingsbruder – er ist ja schließlich auch der einzige.